Kontraproduktive Öffentlichkeitsarbeit


Der vereinbarte Tarifabschluss für die Ärzte an kommunalen Krankenhäusern ist ein Flopp. Genau so, wie der von Ver.di für die Pflegekräfte. Zum letzteren zuerst: Ver.di hat die Gruppe der Pflegekräfte aus dem Gesamttarifvertrag ausgeklammert und ihnen erheblich weniger Lohnsteigerung als dem Rest der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer erkämpft, was zu einem relativen Einkommensverlust führt. Eine Gruppe von Arbeitnehmern, die einer immer belastenderen und unbefriedigenderen Arbeit nachgehen (die Patienten werden immer älter und immer kränker und verlassen immer seltener “gesund” das Krankenhaus) wird dann noch eine gerade mal durchschnittliche Gehaltserhöhung verweigert.

Im Licht dieses schlechten Abschlusses hat sich der Marburger Bund nicht so schlecht geschlagen und trotzdem fühle ich mich schlecht vertreten. Und dann noch dieses Siegergehabe, welches objektiv gesehen völlig kontraproduktiv ist, es treibt mich zur Weisglut.

Zu Anfang der Verhandlungen stellte der Marburger Bund eine Forderung auf: 10% mehr Lohn. Die Gewerkschaft begründete diese mit vielen lobenswerten Hintergründen, unter anderem der immer angeführte Vergleich zu anderen Ländern und der Notwendigkeit, die jungen Mediziner davon abhalten zu müssen, ins Ausland auszuwandern.

Was nun aber geschehen ist, ist dass die jungen Mediziner am wenigsten Lohnsteigerung erhalten, der Assistent der ein Jahr im Krankenhaus arbeitet erhält eine Lohnsteigerung zum 1.4.08 von 2,49%. Keine 10%, keine 8%, nicht mal 5% wie der Facharzt der seit 10 Jahren im Beruf ist und daher sowieso kaum existiert (weil die meisten sich bis dahin selbstständig gemacht haben). Zum Jahr 2009 erhalten dann alle nochmal eine Steigerung von sage und schreibe 3,8%, das ist ja nicht ganz schlecht, aber auch dann komme ich nicht auf 8%, sondern habe nach den zwei Jahren gerade mal 4,1% mehr Geld auf dem Konto, als wenn wir einfach nach der alten Tabelle weiter gemacht hätten.

Auch das ist noch kein Grund zum weinen, aber die Tatsache dass der Marburger Bund stolz etwas von 8% erzählt ist schlimmer als kontraproduktiv. Die eigenen Mitglieder sollte man nicht versuchen zu verarschen, die sehen doch was am Ende auf dem Konto ankommt. In der Branche führt so etwas nur zur Verstärkung der Kluft zwischen Pflege und Arzt: Ich bin von einer Schwester angesprochen worden, ich sollte über die Arbeitsbedingungen nun nicht mehr schimpfen, denn schließlich kriege ich ja jetzt 8% mehr Geld während sie mit wenigen Prozent auskommen müsse. Bravo, danke MB. Und das Bild in der Öffentlichkeit: Ärzte verdienen sowieso schon reichlich. Dass aber Freunde, die gleich lang in anderen Branchen arbeiten und obendrein halbwegs geregelte Arbeitszeiten haben, locker mal das doppelte Verdienen, das nimmt keiner so recht wahr. Und wie man mit diesen Aussichten irgend jemanden von Auswandern abhalten will, ist sicherlich nicht nur mir ein Rätsel.

Ich fühle mich schlecht vertreten und auch wenn ich nicht austrete, werde ich niemanden mehr für den Marburger Bund werben.